An einem verregnetem Samstag im Herbst des letzten Jahres schaltete ich durch das Fernsehprogramm und stieß zufällig auf eine Doku über die Kelly Family. Sofort fühlte ich mich in die 90er Jahre zurück gebeamt, als ich den Megahype um die Band mitverfolgt hatte. Durch die eingespielte Musik zwischen den Interviews wurde ein Kind nach dem anderen neugierig vor den TV gelockt und verfolgte gespannt die Geschichte der Musikerfamilie, die ihre Wurzeln jahrzehntelang in der Straßenmusik hatte und 1994 auf einmal zum Megastar aufstieg.
Die unkonventionelle Lebensart der Kellys, die nicht der einer Durchschnittsfamilie entsprach, schien für die Kinder magisch anziehend und faszinierend. Aufmerksam verfolgten sie die Dokumentation, in der die zahlreichen Höhen und Tiefen der Familiengeschichte thematisiert wurden. Für alle war es beeindruckend, wie sehr die enge Verbundenheit, Liebe und Fürsorge der Geschwister untereinander spürbar ist.
Nach dem Ende der Dokumentation war das Interesse der Kinder geweckt. Sie wollten jedes Lied der Kellys kennen, so dass ich die alten CDs meiner Tochter mitbrachte und auch das neue Album kaufte.
Doch bald reichte es den Kindern nicht mehr, die Lieder aus dem CD-Player zu hören. Sie wollten die Kellys unbedingt einmal live erleben, so dass dieser Traum auf jedem Weihnachtswunschzettel auftauchte. An Heiligabend hielten dann 7 Kinder und Jugendliche ihre Eintrittskarten für das Konzert am 01. Juni 2019 in der Waldbühne Berlin in den Händen.
Aber nun hieß es warten, warten, warten und wieder warten. Die Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt, aber endlich war es soweit: es war Ende Mai.
Da der 01. Juni auf einen Samstag fiel, wollten wir die Gunst der Stunde nutzen und das komplette Wochenende in Berlin verbringen. Leider hatten wir, aufgrund des verlängerten Wochenendes nach Christi Himmelfahrt, nicht mit den hohen Unterkunftspreisen gerechnet.
Doch von der Kelly Family und ihrer Verbundenheit inspiriert, kam mir die Idee beim Albert-Schweitzer-Kinderdorf Berlin anzufragen, ob die Möglichkeit besteht, auf ihrem Gelände wortwörtlich unsere Zelte aufzuschlagen. Wir erhielten sofort grünes Licht, so dass wir uns am 31.05. auf den Weg in unsere Hauptstadt machten.
Nachdem wir noch einen Zwischenstopp in Potsdam eingelegt hatten und dort einen schönen frühsommerlichen Tag verbrachten, kamen wir abends im Kinderdorf Berlin an. Wir wurden gastfreundlich in Empfang genommen.
Keine Sekunde zu spät hatten wir die Zelte für die erste Nacht aufgebaut, denn auf einmal ging ein Wolkenbruch über uns herab. Das Plätschern der Regentropfen begleitete uns in unseren Schlaf.
Am nächsten Morgen schien die Sonne wieder, so dass der Plan für den Tag klar war: Baden. Gestärkt von belegten Brötchen und Gebäck vom Bäcker, welches wir brüderlich mit den Enten, Raben und Spatzen auf unserer „Frühstückswiese“ teilten, fuhren wir zur Heilandkirche nach Sacrow. Direkt am Fuße der Kirche fanden wir eine schöne kleine Bucht, in der die Kinder baden konnten und am Ufer ihre Sandburgen bauten. Am späten Nachmittag kehrten wir bei einem Italiener in der Nähe des Kinderdorfes ein, um uns mit Pasta und Pizza für den lang ersehnten Abend in der Waldbühne zu stärken.
Gut gelaunt und leicht aufgeregt fuhren wir Richtung Waldbühne, welche nur gut 20 Minuten vom Kinderdorf entfernt liegt. Unseren Bus parkten wir in einer Seitenstraße und liefen die restlichen 1,5 Kilometer. Auf dem Weg zum Veranstaltungsgelände staunten wir nicht schlecht über die vielen unterschiedlichen KFZ-Kennzeichen aus ganz Deutschland, und sogar Tschechien, Dänemark und anderen europäischen Ländern.
Der Einlass war gut organisiert, so dass kein Gedränge aufkam und wir schnell auf dem Gelände waren. Nun erhaschten wir einen ersten Blick auf die faszinierende Location. Die Kinder waren über die Massen an Menschen erstaunt. Vorbildlich blieben sie eng bei einander, denn keiner wollte unter den 22.000 Konzertbesuchern verloren gehen.
Dreißig Minuten nachdem wir unsere Plätze eingenommen hatten, betrat die Kelly Family unter Jubelschreien der Fans und tosendem Applaus die Bühne. Vom ersten Takt an zog die Band das Publikum in ihren unverwechselbaren und so authentischen Bann. Jedem einzelnen der sieben Geschwister wurde sein eigener Moment auf der Bühne gegeben. Und jeder einzelne wurde von den Fans gefeiert, egal wie unterschiedlich Stimme und Musikrichtung desjenigen war. Diese erstaunliche Vielfalt, welche von Rock über Ballade bis hin zu Folklore reicht, war schon immer Teil ihres Erfolgsrezeptes.
Die Balladen verwandelten die Waldbühne in ein kleines Lichtermeer, denn alle griffen zu ihren Handys und erleuchteten die Nacht mit ihren Taschenlampen. Als wären wir von tausenden Glühwürmchen umgeben. Die sanften und emotionalen Töne ließen uns trotz der Außentemperaturen um die 30 Grad eine Gänsehaut am ganzen Körper verspüren.
Aber bereits im nächsten Moment glühten unsere Gesichter von der Hitze der beeindruckenden Feuershow des nächsten rockigen Hits. Nun wurde wieder gehüpft und geklatscht. Niemand saß mehr still auf seinem Platz.
Wie im Fluge verging das Konzert. Aber der persönliche Höhepunkt für die Kinder sollte noch kommen. Unsere Plätze waren am oberen seitlichen Rand der Bühne. Und nach dem Ende des Konzerts mischten sich einige Mitglieder der Kelly Family unter die Fans. Wir hatten das große Glück und durften unsere Hände von Joey abklatschen lassen und hatten die unvergessene Möglichkeit, mit Patricia Selfies zu machen. Sie nahm sich viel Zeit, um geduldig mit jedem jungen Fan für ein Foto zu posieren.
Beschwingt von dem Konzert und der hautnahen Begegnung, begaben wir uns wieder zu unserem Bus. Noch bevor der Motor startete, lief natürlich die Kelly Family in unserem Radio. Erschöpft von diesen vielen unvergesslichen Eindrücken des Abends krabbelten wir in unsere Schlafsäcke und schliefen glücklich ein.
Den nächsten Tag verbrachten wir bei kräftigsten Sonnenschein im Templiner Freibad, bevor uns der Weg wieder in unsere Wohngruppe nach Strinum führte. Das Wochenende ist nun fast zwei Wochen her und trotzdem erzählen die Kinder noch fast jeden Tag davon.
Die Kelly Family ist eben nicht nur ein Phänomen der 90er, sondern ein zeitungebundenes Phänomen, welches jederzeit Jung und Alt in seinen Bann zieht.